Wie den Herausforderungen angesichts der Corona-Pandemie in Beatmungs-WGs gemeinsam begegnet werden kann

Es gibt klare Anordnungen des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege, wie in Zeiten der Corona-Pandemie die Bewohner*innen – auch in Wohngemeinschaften für außerklinische beatmete Menschen – vor einer Infektion geschützt werden sollen. So sind Besuche sind auf den Kreis der Angehörigen, Ehegatten, Lebenspartner, Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft, Verwandten in gerader Linie, Geschwistern, bei Minderjährigen auch von den Eltern oder Sorgeberechtigten gemeinsam, und eine weitere feste Person, beschränkt, alle Besucher müssen namentlich registriert sein, es muss ein fester Besuchszeitraum festgelegt werden, täglich ist nur ein Besuch durch eine Person aus dem o. g. Personenkreis zulässig, für die Besucher besteht Maskenpflicht und es muss ein Schutz- und Hygienekonzept vorliegen. Alle Beteiligten standen und stehen somit vor großen Herausforderungen.

Die Heimbeatmungsservice Brambring Jaschke GmbH (HBS) ist seit über einem Jahrzehnt in Bad Kissingen ansässig und versorgt schwerstkranke Erwachsene in zwei Wohngemeinschaften. Niederlassungsleiterin Ellen Kraske sowie Dorothee Seidl und Nadine Jopp, die pflegerischen Leiterinnen der beiden Wohngemeinschaften, berichten in diesem Beitrag, wie es auch in einer so schwierigen Zeit gelingt, die Lebensqualität für die betroffenen Menschen und ihre Angehörigen aufrechtzuerhalten.

Außerklinische Intensivpflege in Zeiten von Corona
Die Corona-Pandemie hat dazu geführt, dass die Voraussetzungen für eine gute Versorgung und Pflege für alle Beteiligten deutlich erschwert wurden. Denn für Beatmungspatienten ist das Risiko bei einer Infektion mit dem Corona erheblich höher und kann lebensbedrohliche Folgen haben. Das Wissen darum setzt alle Beteiligten unter großen psychischen Druck und zu Beginn der Pandemie war die Angst groß. Dies beobachtete Ellen Kraske seit Anfang März mit großer Sorge. Angst machte z.B. die verordnete Meldepflicht für Beatmungsgeräte, denn viele stellten sich die bange Frage, ob womöglich ihr Beatmungsgerät bzw. das Ersatzbeatmungsgerät beschlagnahmt werden könnte. Doch dazu kam es bislang nicht. So gab es zwar Anfragen, ob man Geräte übrighabe, aber allen war klar, dass man Menschen, die auf die Geräte angewiesen sind, diese nicht einfach wegnehmen!
Doch wie gestaltet sich die außerklinische Intensivpflege in dieser kritischen Zeit, wie reagiert professionelle Pflege außerhalb der Kliniken darauf und was sind ihre Ziele? Bei einem Intensivpflegedienst wie dem HBS hat oberste Priorität, dass die einem anvertrauten Menschen diese kritische Zeit gut überstehen und dass sie trotz massiver Einschränkungen Lebensqualität erfahren und am gesellschaftlichen Leben teilhaben können. Auf den pflegerischen Alltag heruntergebrochen sind das viele Aufgaben, die für einen Pflegedienst und dessen Pflegekräfte Stück für Stück und Tag für Tag neu umgesetzt werden müssen.

Die Einhaltung von Hygieneanforderungen
Eine große Herausforderung ist jegliche Vermeidung einer Infektion mit dem neuartigen Corona-Virus. Deshalb muss peinlichst auf die Einhaltung von Hygienevorschriften geachtet werden. „Aber dies ist“, sagt Hygienefachfrau Kraske, „in der außerklinischen Intensivpflege ohnehin das A & O von Qualität. Gerade wer einen Fremdkörper, wie das nun einmal eine Trachealkanüle im Hals darstellt, in sich trägt, muss immer penibel vor Infektionen geschützt werden.“ Jetzt geht es zusätzlich darum, sowohl Pflegekräfte als Betroffene vor dem heimtückischen Virus zu schützen. Deshalb sind noch mehr Handschuhe, Kittel, Mund-Nasen-Schutz und größere Mengen an Desinfektionsmittel notwendig. Alles war zu Beginn knapp und wurde immer teurer. Zu Beginn war man über gespendete Behelfsschutzmasken sehr dankbar und es werden noch immer gespendete Visiere genutzt, die im 3D-Drucker gefertigt wurden!
Besondere Sorgen bereiteten und bereiten Lieferengpässe bei Hilfsmitteln wie z.B. Trachealkanülen und Schlauchsysteme.
Sodann wurden die Dienstpläne so umgeschrieben, dass jeder Klient/jede Klientin von einem möglichst festen Stamm an Pflegekräften betreut wird und die Pflegekräfte möglichst wenig die Betreuungsorte wechseln müssen. In der sog. 1:1-Versorgung ist die Ansteckungsgefahr geringer als in stationären Einrichtungen, da es sehr viel weniger Kontaktpersonen und damit weniger Infektionsmöglichkeiten gibt. So musste im Wesentlichen während der Corona-Pandemie kaum nachgebessert werden. Aber natürlich gilt auch hier, dass besonders darauf geachtet werden muss, dass Masken, Handschuhe und Arbeitskleidung genau nach Vorschrift gewechselt werden. Solche Vorschriften schützen sowohl die WG-Bewohner*innen als auch die Angehörigen und Pflegekräfte. Letztere müssen gerade jetzt auch besonders kreativ sein, da man die ein oder andere Aktivität wie Familienfeiern, Besuch von Sportveranstaltungen oder Shopping-Ausflüge eher meidet.

Die Angehörigen als wichtige Partner der Pflegenden
Aufgrund der oben genannten Verordnung darf angesichts der Corona-Pandemie – unter hohen Auflagen – nur eine feste Person besuchsweise die Räumlichkeiten der Wohngemeinschaft betreten. Das ist ein Fortschritt gegenüber den Wochen, als ein generelles Besuchsverbot galt, was für die Bewohner*innen der Wohngemeinschaften für Beatmung sehr belastend war. Die Pflegekräfte sorgten deshalb dafür, dass z.B. an Ostern in gemeinschaftlicher Runde Eier gefärbt wurden, man veranstaltete Spielerunden und aß miteinander. Die neuen Technologien erweisen sich in solchen Zeiten als besonders hilfreich. So können per Handy kurze Filme oder Schnappschüsse ausgetauscht werden oder man kommuniziert per Skype miteinander. Und natürlich wird enorm viel telefoniert!

Dorothee Seidl, pflegerische Leiterin der Wohngemeinschaft in der Hartmannstraße, berichtet begeistert von den tollen Ideen der Angehörigen: „Bei uns wohnt eine ältere Dame, die normalerweise täglich Besuch von ihren beiden Söhnen erhält. Da dies momentan nicht möglich ist, haben diese überlegt, wie sie trotzdem Kontakt zu ihrer Mutter halten können. Da der eine Sohn bereits im Ruhestand ist und die wenigsten Sozialkontakte hat, betritt er als einziger die WG. Der andere Sohn, der noch berufstätig ist, bleibt draußen und kommuniziert durch das geöffnete Fenster mit Mutter und Bruder. Natürlich wird auch hier der nötige Abstand eingehalten und zum Glück liegt die Wohngemeinschaft im Erdgeschoss!“ Auch mit den Pflegekräften sprechen die Söhne immer freundlich und wertschätzend, erzählt Frau Seidl. Solche Angehörige, die mitdenken und die Leistungen der Pflegekräfte anerkennen, sind in ihren Augen genauso systemrelevant wie die Pflegekräfte. Denn natürlich gibt es auf der anderen Seite auch uneinsichtige Angehörige, die sich nicht an die Hygienemaßnahmen halten und oft regelrecht dazu „genötigt“ werden müssen. Im schlimmsten Fall muss die pflegerische Leitung der Wohngemeinschaft in solchen Fällen mit einem Betretungsverbot drohen. „Angehörige können so viel zu einer guten Pflege beitragen, und das nicht nur in Zeiten von Corona“, sagt Frau Seidl abschließend.

Eine solche Krise schweißt zusammen
Die gemeinsamen Sorgen und Ängste, die eine solche Pandemie hervorruft, hat das Zusammengehörigkeitsgefühl von Betroffenen, ihren Familien und den Pflegekräften enorm gesteigert, beobachtet Kraske. Der HBS, vom Great Place to Work in diesem Jahr ausgezeichneter attraktiver Arbeitgeber, legt ohnehin schon großen Wert auf ein wertschätzendes und solidarisches Miteinander. Jetzt ist es noch wichtiger, die Pflegekräfte zu unterstützen, beispielsweise wenn sie zuhause kleine Kinder haben. „Es kommt darauf an, aufeinander zu achten und ein Gefühl dafür zu entwickeln, wie es dem anderen geht. So haben sich bislang unsere Vorsichtsmaßnahmen bewährt und es kam zu nur ganz wenigen Infektionen“, so die Niederlassungsleiterin. Einer Pflegekraft im Krankenstand, alleinerziehende Mutter von zwei Kindern, brachten beispielsweise ihre Kolleg*innen eine große Tüte mit Lebensmitteln vorbei. „So verrückt es klingt“, sagt Ellen Kraske, „aber wir lachen zurzeit mehr als vor der Pandemie, weil unseren Pflegekräften immer wieder etwas Neues einfällt. Wir können jetzt ganz besonders zeigen, was wir in unserer langen Ausbildung gelernt und was wir pflegerisch ‚drauf‘ haben!“

Die außerklinische Intensivpflege ist systemrelevant
Dass ohne hochspezialisierte Pflegekräfte die außerklinische Intensivpflege nicht möglich wäre, ist allen, die in diesem Pflegesegment arbeiten, bekannt. Die Pflegekräfte sind mit Recht stolz auf das, was sie tagtäglich für schwerstkranke Menschen leisten – und das schon lange vor Corona. Insofern stellt für sie das Attribut „systemrelevant“ keine Steigerung ihres Selbstwertgefühls dar. Generell leistet die außerklinische Intensivpflege einen erheblichen Beitrag zur Stabilität des deutschen Gesundheitswesens und kann die Krankenhäuser entlasten.
Zwar haben die Pflegekräfte bei der Heimbeatmungsservice Brambring Jaschke GmbH noch nicht erlebt, dass sie von irgendwelchen Balkonen herab öffentlichen Applaus erhalten haben, aber Pflegekräfte haben ein gutes Gespür dafür, ob ihre Leistung wertgeschätzt wird und ob die Angehörigen mit ihnen an einem Strang ziehen. Schon kleine Gesten, ein paar Süßigkeiten, ein Eis im Sommer oder anerkennende Worte erfreuen. Ein konstruktives Miteinander zum Wohle des betroffenen Menschen gibt Kraft und ist eine wichtige Energiequelle im pflegerischen Alltag. Dass es bei der Heimbeatmungsservice Brambring Jaschke GmbH in Bad Kissingen trotz der Pandemie so gut läuft, kann mehr als zuversichtlich stimmen, auch mit einer möglichen zweiten Corona-Welle fertig zu werden.